Mallorca
Mai 2018

Wie in anderen europäischen Ländern wurden in den letzten 5 Jahrzehnten die auf Mallorca heimischen Schildkrötenpopulationen durch menschliche Einwirkung fast ausgelöscht. Nur an wenigen Orten findet man noch ursprüngliche Bestände von Testudo hermanni hermanni. Weniger bekannt ist, dass auf der Insel auch Testudo graeca graeca vorkommt. Fossilien und vergleichende Genanalysen weisen darauf hin, dass beide Arten wohl vor ca. 3000 Jahren vom spanischen Festland eingeführt wurden. Thh gleichen der Albera-Lokalform (Haplotyp 3). Tgg ähnelt der Population aus der Region um den Doñana Nationalpark.

Naturschutzorganisationen setzen sich heute für die Renaturierung der Lebensräume ein. Dabei werden sie vom Umweltministerium der Balearen unterstützt. Seit vielen Jahren werden Nachzuchten von autorisierten Züchtern in Naturschutzgebieten und touristisch wenig erschlossenen Regionen ausgewildert. Die Tiere sind zum Zeitpunkt der Auswilderung etwa 3 Jahre alt – je nach Konstitution. Die Bestände werden regelmäßig evaluiert. Die nachgezüchteten Tiere erkennt man daran, dass sie mit Kerben versehen sind, an denen man das Jahr der Auswilderung ablesen kann.

Erstes Ziel unserer Reise ist ein Naturschutzgebiet im Nordosten der Insel. Welch eine Farbenpracht! Rot blühende Mohnfelder wechseln mit gelb-weißen Margeriten. Zwischen rosa und weißen Disteln leuchtet königsblauer Natternkopf hervor. Der Himmel ist bewölkt, in der Nacht hat es etwas geregnet. Vielversprechendes Wetter für die Schildkrötensuche. Der Weg führt vorbei an Mastixsträuchern und niedrigen Kiefern. Zistrosen blühen weiß und rosa. Alte Rosmarinbüsche zeigen an, dass es im Winter kaum Frost gibt. Hellgrüne Moospolster und Flechten weisen auf einen feuchten Untergrund hin.

Geplündertes Nest

Wie in allen Schildkrötengebieten sind Eierschalen geplünderter Nester der erste Hinweis, dass man sich in einem Schildkrötengebiet befindet. Entgegen macher Theorie, die besagt, dass Thh nicht vor Mitte Mai legen, scheinen die Schalen, die wir finden, aus frischen Nestern zu stammen. Nach weniger als einer halben Stunde erblicken wir schon die erste T.hermanni hermanni gelb-schwarz glänzend in der Sonne. Wenig später die zweite.

Treffpunkt von mehreren Thh-Weibchen

An einer nach Süden augerichteten, spärlich bewachsenen Sandfläche zählen wir insgesamt 7 adulte Schildkröten, augenscheinlich Weibchen. Viele waren unter trockenen Rosmarinzweigen und Pinienwurzeln bestens getarnt, so dass sie nur für das geübte Auge sichtbar waren. Es ist faszinierend, wie das Muster von Sonnen und Schattenflecken die Rückenpanzer unsichtbar werden lässt.

 

Im Laufe eines einzigen Tages sehen wir über 30 T.hermanni hermanni, haupsächlich adulte Tiere und hauptsächlich Weibchen, aber auch einige Männchen, soweit man es in der Draufsicht erkennen konnte. Auch vereinzelte Jungtiere und Schlüpflinge waren unterwegs.

 

Phänotyp
 
Alle adulten Schildkröten waren etwa gleich groß und halbkugelförmig. Sie hatten in etwa die Größe eines Brötchens. Der Schwarz-Anteil auf dem gelben Untergrund variierte stark. Die Zeichnung auf den 2. bis 4. Wirbelschilden sah bei allen Tieren sehr ähnlich aus. Die 2. und 3. Wirbelschilde waren schwarz umrahmt und hatten einen tropfenförmigen Fleck, der sich von der vorderen Schildnaht bis zum hinteren Schild-Drittel erstreckte. Ein ähnlicher "Tropfen" befand sich in verbreiterter Form mittig auf dem 4.Wirbelschild. Sehr variabel war dagegen das erste Wirbelschild gezeichnet. Auf dem 5.Wirbelschild befand sich eine deutliche Schlüssellochzeichnung, die wie ein gelber Pilz auf schwarzem Grund geformt war, manchmal auch wie der Buchstabe "T". Bei den Jungtieren und Schlüpflinge war diese Zeichnung nur andeutungsweise zu erkennen. Die Pectoral- und Humeralschilde wiesen die für Thh typischen Zacken auf, die von C.Leone als "Dornenmuster" beschrieben wurden. Stellvertretend für alle habe ich allerdings nur 3 Schildkröten von unten fotografiert. Ansonsten haben wir darauf verzichtet, die Tiere hochzuheben.
Im Gegensatz zu den Thb-Gebieten, die ich bisher besucht habe, habe ich hier keine einzige Schildkröte mit einer Schildanomalie gesehen.

 

 

Schlüpflinge und Jungtiere

 

Was ist hier schief gelaufen? Es liegt der Verdacht nahe, dass sie unter menschlicher Obhut geschlüpft ist und ausgesetzt wurde.

 

Besuch des "Centro de Recuperación del COFIB"
 
Spontan entschlossen wir uns zu einem Besuch des COFIB (Consorci per a la Recuperació de la Fauna de les Illes Balears) Man kann sich denken, dass der zuständige Naturschutzbeauftragte Lluis Parpal zunächst etwas reserviert reagierte, als drei Touristen vor ihm standen und ihm erzählten, dass sie Testudo hermanni in Norddeutschland hielten. Ist es doch unter anderem seine Aufgabe, die Bevölkerung aufzuklären, dass Schildkröten nicht in Menschenhand gehören. Jedoch kamen uns unsere spanischen Sprachkenntnisse zugute. Es kam ein gutes Fachgespräch zustande. Wir erfuhren viel Interessantes über die Auswilderungsprogramme und die damit im Zusammenhang stehenden Problematiken. Wir tauschten uns aus über Wachstum der Jungtiere, Prädatoren und Krankheiten. Besonders interessierte mich natürlich das Thema "Überwinterung". Er bestätigte, dass sich die Tiere kaum eingraben und an sonnigen Tagen ihre Hibernation kurz unterbrechen. Schließlich bekamen wir sogar eine Führung durch die Schutzstation und durften die Schildkrötengehege besichtigen. Besonders gefreut habe ich mich über das Buch "La Conservación de las Tortugas de Tierra en España", an dem L.Parpal mitgewirkt hat. Wir werden in Verbindung bleiben.

 

Lola und Marianne
 
 
In vielen Privathäusern und Hotels auf Mallorca ist der Anblick von Maskottchen in Form von lebenden Schildkröten ein gewohnter Anblick. In unserer Pension gab es Lola und Marianne, die die Gäste jeden Morgen um Frühstück anbettelten. Sie sagten auch zu Rührei und Schinken nicht nein.
Regelmäßig im Oktober zum Ende der Saison verkriechen sie sich unter Sträuchern im hinteren Bereich des Gartens, um im April zusammen mit den ersten Touristen wieder aufzutauchen. Seit 30 Jahren ist der bepflanzte Innenhof der Pension nun ihr Lebensraum. Aufgrund der reichhaltigen Ernährung waren sie größer als ihre Artgenossen in freier Wildbahn, machten aber ansonsten einen fitten Eindruck. Lola hatte im Gegegensatz zu ihren wildlebenden Artgenossen einen leicht unebenen Rückenpanzer. Um das Klima würden sie viele unserer in Gefangenschaft gehaltenen Schildkröten beneiden.
 
  
 
 
Mehr über die Schildkröten Mallorcas:
- José A. Mateo "La Conservación de las Tortugas de Tierra en España", 2010
- Olaf Kuß "Testudo hermanni hermanni auf Mallorca in "Radiata 26(4), 2017
- Christopher Leone "Italienische und balearische Testudo hermanni hermanni: Unterscheidung von Formen und eine Zusammenfassung der Haltungsbedingungen in New Jersey, USA" in Radiata 26(2), 2017
 
 
 
 

 

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